Erzerūm

Erzerūm

Erzerūm (Erserum), Hauptstadt des gleichnamigen, einen großen Teil von Armenien umfassenden Wilajets in der asiatischen Türkei, das ca. 51,000 qkm Areal und etwa 646,000 Einw. hat und in die Sandschaks E., Erzingjan und Bajesid zerfällt. Die Lage der Stadt ist kommerziell und strategisch gleich wichtig. Sie liegt nahe den Euphratquellen (Karasu) 1965 m hoch, am Südostrand der 30 km langen und 10–15 km breiten, sehr fruchtbaren Hochebene von E., die im N. vom Ak Baba, Kara Kajalar, Dumlü Dagh und im S. vom Ejerlü, Karakaja und Palandöken Dagh begrenzt wird. Das Klima ist sehr kalt (Jahresmittel 6,4°, August 22°, Januar -10°). E. ist mit doppelter Steinmauer und tiefen Gräben umgeben und hat im S. eine Zitadelle (Itsch Kalé), in der der Pascha wohnt. Die Stadt zählt 39,000 Einw. (2/3 Türken, 1/3 Armenier), von denen der größere Teil in den Vorstädten lebt. Die Straßen sind trotz des vielfach hindurchfließenden Wassers schlecht und unreinlich, die Häuser meist von Stein gebaut, oft halb unterirdisch, mit kleinen Fenstern und flachen, rasenbedeckten Dächern. E. besitzt 65 Moscheen, darunter die stattliche Ulu-Djami, 15 Derwischklöster, 39 Karawansereien, 4 christliche Kirchen, 17 Bäder und mehrere große Kasernen. Die Stadt ist Sitz des Generalgouverneurs, eines gregorianischen Erzbischofs, eines armenisch-katholischen und eines griechisch-orientalischen Bischofs, besitzt mehrere Medressen, eine Militärschule und andre Schulen der Mohammedaner sowie das Collège Sanasarean, eine nach deutscher Art eingerichtete Schule. Durch seine Lage am Handelsweg zwischen Trapezunt nach Tebriz (der alten »genuesischen Straße«) ward E. ein Hauptstapel- und Rastplatz für die Karawanen und gelangte zu einem im Orient seltenen Zustand der Blüte. Durch wiederholte Abwanderungen der Armenier und Gebietsverlust an Rußland hat der Handel Erzerums zwar gelitten; aber trotzdem nimmt es unter den Handelsplätzen Armeniens noch immer den ersten Rang ein. Der Wert des Handels wird auf etwa 20 Mill. Mk. jährlich angegeben; der Transit ist drei- bis viermal größer. Namentlich ist die Zufuhr von Getreide, Mehl und andern Lebensmitteln bedeutend. Durch Konsuln sind vertreten Rußland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Persien und die Vereinigten Staaten. Früher hatte E. eine ansehnliche Metallindustrie; seine Eisen- (Hufeisen, Waffen) und Kupferwaren standen in großem Rufe.

E. entspricht der altarmenischen Stadt Karin, was die Griechen in Karana veränderten. Der byzantinische Kaiser Anastasios I. (491–518) befestigte sie und nannte sie Theodosiopolis. 502 geriet sie vorübergehend in den Besitz der Perser, ebenso gegen Ende des 6. Jahrh., wo ein großer Teil ihrer Einwohner nach Hamadân verpflanzt wurde. 647 eroberten sie die Araber, denen sie durch die Griechen wiederholt streitig gemacht wurde, aber bald nach 1000 doch verblieb. 1047 wurde die benachbarte altarmenische Stadt Ardzn von den Persern zerstört; ihre Einwohner flüchteten nach Karin, das seitdem Ardzn Rûm (das römische oder griechische Arzen) benannt wurde, woraus E. entstand. 1201 fiel E. in die Hände der Seldschuken, 1247 in die der Mongolen; 1472 kam es mit Großarmenien unter persische und 1522 unter türkische Herrschaft. Infolge des Sieges der Russen unter Paskewitsch über die Türken in der Ebene von E. (Juli 1829) kam das Paschalik nebst der Hauptstadt, dem Bollwerk der Türkei gegen Rußland und Persien, in russische Gewalt, ward aber im Frieden von Adrianopel (14. Sept. 1829) dem Sultan zurückgegeben. Von neuem besetzten es die Russen, die am 4. Nov. 1877 über die Türken in der Nähe von E. bei Dewe-Boyun siegten, im Februar 1878, räumten es aber nach dem Berliner Frieden wieder.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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