Betrug

Betrug

Betrug, 1) die in unrechter Absicht unternommene Handlung, wodurch Jemand die gegründete Erwartung od. den gültigen Anspruch eines Anderen täuscht od. unerfüllt läßt, indem er den Willen dieses Anderen mittelst Unterscheidung von Scheinmotiven zu Handlungen bringt, die derselbe sonst nicht würde gethan haben. Betrügereien als beständige Maxime des Lebens gedacht, u. zu deren Ausübung viel Verschlagenheit erfordert wird, heißen Ränke. Der B. kann Statt finden in jeder historischen Darstellung, wo absichtlich die Wahrheit entstellt, verdunkelt od. mit Unrichtigkeiten vertauscht wird; geschieht dies aus guter Absicht, so heißt es ein frommer B., der aber dennoch durchaus unsittlich ist; im Handel u. Wandel, wenn das nach Qualität od. Quantität Geringere u. Schlechtere dem Besseren, das erwartet ist, untergeschoben wird. 2) (Rechtsw.). Das Verbrechen einer beabsichtigten (s. Dolus) rechtswidrigen Täuschung Anderer, zu deren Benachtheiligung, durch Mittheilung falscher od. Vorenthaltung wahrer Thatsachen. Die Frage über den begrifflichen Umfang des B-s als eines Verbrechens ist gemeinrechtlich eine sehr bestrittene, indem die römischen Quellen, auf welche hierbei zurückzugehen ist, darüber nicht ganz klar sind u. insbesondere die Fälle, in denen der B. nur civilrechtliche Folgen nach sich zog, u. diejenigen, in denen er auch criminell geahndet wurde, nicht genug zu unterscheiden sind. Den Grund zur Bestrafung des B-s legte die Lex Cornelia de falsis, eigentlich nur in Bezug auf Testaments- u. Münzfälschung. Allmählig wurde der Begriff auf Urkundenfälschung u. schwerere Arten des B-s durch Senatusconsulta u. Constitutiones ausgedehnt, u. so findet sich das Crimen extraordinarium stellionatus unter dem Begriff von gröberen strafbaren Betrügereien, unter denen man anfangs jedoch blos Beschädigungen durch gefährliche Gaunerstreiche, späterhin aber auch jede bedeutendere Beschädigung, mit bes. gefährlicher Schlauheit verübt, verstanden zu haben scheint. Die vom Stellionatus sprechenden Stellen wurden daher in der gemeinrechtlichen Praxis aushülfsweise für die Fälle des B-s benutzt; zu einer völligen Sicherheit des Begriffs u. der Strafe gelangte man jedoch nie, u. so ist die Lehre vom B. nach gemeinem Recht vielfach auf Willkühr basirt geblieben. Erst die neueren Strafgesetzgebungen haben diesem Mangel abgeholfen, indem sie festere Begriffe u. Normen darüber aufgestellt haben. Zum Thatbestande des B-s wird hiernach allgemein verlangt: a) eine auf Täuschung Anderer gerichtete Handlung, sei diese nun positiv thätige Mittheilung falscher Thatsachen (Immutatio veritatis) od. negativ Vorenthaltung wahrer Thatsachen (Oppressio veritatis); b) die täuschende Handlung muß zum Nachtheil der Rechte eines Anderen geschehen sein; eine bloße Lüge od. die bloße Vorenthaltung der Wahrheit enthält noch keinen strafbaren B.; c) sie muß in der rechtswidrigen Absicht, den Anderen zu benachtheiligen, begangen sein; einen culposen B. gibt es nicht. Neben dem einfachen B. wird die Fälschung in der Regel als eine bes. ausgezeichnete Art des B-s betrachtet, indem man darunter diejenigen Fälle begreift, in denen die Täuschung des Anderen mit Hülfe falscher Urkunden, namentlich falscher öffentlicher Urkunden, bewirkt wurde. Außerdem heben einige Gesetzgebungen als bes. strafbar noch diejenigen B-e hervor, bei denen zugleich Leben u. Gesundheit der Personen gefährdet wird, od. womit zugleich ein Mißbrauch der Religion verbunden ist, so wie den betrügerischen Bankerott (s.d.). Alle diese Fälle pflegen, so wie die Fälschungen, in der Regel härter bestraft zu werden, u. nur die Fälschungen an Reisepässen, Wanderbüchern etc. zum Zweck eines erleichterten Fortkommens sind zuweilen ausnahmsweise in der Strafe niedriger gestellt. Bei B. in Vertragsverhältnissen ist außerdem öfters vorgeschrieben, daß derselbe nur auf Antraa des Verletzten zur öffentlichen Bestrafung[690] gezogen werden soll. Abgesehen von solchen besonderen Bestimmungen wird das Strafmaß bes. nach der Größe u. dem Betrage des durch den B. im einzelnen Falle verursachten Schadens bemessen, wobei nicht selten auf die Strafen des Diebstahls verwiesen wird. Regelmäßig treten hiernach Freiheitsstrafen, den Umständen nach in längerem od. kürzerem Zuchthaus, Arbeitshaus oder Gefängniß bestehend, für geringere Fälle auch wohl nur Geldstrafen ein. In England ist der Begriff von B. (Cheat) u. Fälschung (Forgery) am meisten ausgebildet, u. es ist für jede einzelne Art desselben eine besondere Praxis entstanden. In Frankreich entspricht das Wort Escroquerie dem deutschen B. u. wird (Art. 405) in den unbenannten Fällen mit 1–5 Jahren Gefängniß- u. Geldstrafe geahndet; benannte Fälle sind mit theils polizeilichen, theils criminellen besonderen Strafen bedroht. Von der Literatur vgl. bes. Lucunnis, Über d. Verbrechen d. B-s, Würzb. 1820; Escher, Lehre vom strafbaren B., Zürich 1840. 3) B. der Sinne (Psychol.), so v.w. Sinnestäuschung.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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