Schmelzen

Schmelzen

Schmelzen, 1) der Übergang fester Körper in den Zustand des Flüssigseins, durch Vermittelung der Wärme (Schmelzbarkeit). Wahrscheinlich sind alle festen Körper schmelzbar, mit Ausnahme derjenigen, welche bei einer gewissen Temperatur sich zersetzen, wie z.B. das Holz. Doch ist es noch nicht mit Sicherheit gelungen den Kohlenstoff zu schmelzen, doch sah Depretz nadelförmige Stücke Anthracit unter der gleichzeitigen Einwirkung eines Brennglases von fast einem Meter Durchmesser, einer Wasserstoffgasflamme u. einer Bunsenschen galvanischen Batterie von 185 Elementen sich biegen u. später fand er, daß, nachdem Monate lang ein elektrischer Lichtbogen im luftleeren Raume von einer Kohlenspitze zu einem Platindrahtbüschel unterhalten worden war, sich am letzteren krystallinischer Kohlenabsatz gebildet hatte. Für jede Substanz findet das S. bei einem bestimmten Temperaturgrad statt; welches der Schmelzpunkt derselben genannt wird. Im Allgemeinen kehrt eine Flüssigkeit unter Erniedrigung der Temperatur bei demselben Temperaturgrade in den festen Zustand zurück, so daß Gefrierpunkt u. Schmelzpunkt identisch sind; doch gelingt es ein Gefäß z.B.' mit Wasser mehre Grade unter dem Schmelzpunkt bei sehr ruhigem Stehen abzukühlen, u. erst bei eintretender Erschütterung wird sodann eine größere Quantität plötzlich zu Eis. Die Schmelzpunkte sind für Kohlensäure – 65° C., Schwefeläther – 44°, Quecksilber – 39°, Milch – 11°, Wein – 5°, Wasser 0°, Seife + 33°, Stearin + 49°, Wachs + 68°, Phosphor + 43°, Kalium + 58°, Schwefel + 109°, Zinn + 230°, Wismuth + 246°, Blei + 334°, Cadmium + 360°, Zink + 412°, Silber + 1200°, Gold + 1400°. Die höheren Schmelzpunkte sind nur mit großer Unsicherheit bestimmt; so gibt für graues Gußeisen Pouillet 1210° C. u. Guyton-Morveau 4783°, für Stabeisen der erstere 1550° der letztere 6346° als Schmelzpunkt an. Bei leichtflüssigeren Körpern bis 300° wird es nämlich durch das Quecksilberthermometer, bei schwerflüssigeren durch Pyrometer bestimmt, welche bei höheren Graden sehr unsicher werden. Manche Metalllegirungen kommen bei niedrigern Temperaturen, als jedes der einzelnen Metalle, in Fluß, z.B. das Rose'sche Gemisch aus 2 Wismuth, 1 Blei u. 1 Zinn bei 94° C. So hat man verschiedene Gemische dieser drei Metalle, welche durch ihr S. alle Temperaturen zwischen 94° u. 280° C. angeben u. daher in der Technik von großem Nutzen sind. Setzt man den Wismuthbleizinnlegirungen noch Cadmium zu, so erhält man, obgleich dessen Schmelzpunkt noch höher liegt als der dieser drei Metalle einzeln, Mischungen, welche noch leichter schmelzbar sind; so schmilzt z.B. ein Gemisch von 8 Theilen Wismuth, 4 Theilen Blei, 2 Theilen Zinn u. 2 Theilen Cadmium schon bei 70° C. Schwerflüssige Körper kann man oft durch einen Zuschlag (Fluß) aus Flußspath, Quarz, Borax u.a.m. leichter zum S. bringen. Mit Beaumés schnellem Flusse (3 Theile Salpeter, 1 Schwefel, 1 seine Sägespähne) kann man eine kleine Silbermünze in einer Nußschale schmelzen. Bei Salzen muß man das Flüssigwerden vom S. unterscheiden: Ersteres erfolgt, wenn das Krystallwasser des Salzes durch die Hitze flüssig wird u. die festen Theile auflöst; das S. erfolgt, wenn das Krystallwasser verdampft u. das Salz trocken geworden ist. Man nennt auch zuweilen ersteres den wässerigen, letzteres den feurigen Fluß. Beispiele dafür sind der Alaun, der Borax, das kohlensaure Natron u.a.m. Die zweite merkwürdige Erscheinung beim S. ist, daß bei der Veränderung der Aggregatsform eine gewisse Menge Wärme absorbirt wird, d.h. es ist eine bestimmte Menge Wärme erforderlich, um z.B. 1 Pfund Eis von 0° in 1 Pfund Wasser von 0° zu verwandeln. Diese für das Thermometer u. für unser Gefühl verloren gehende Wärme heißt die latente Wärme der Flüssigkeit, sie ist beim Wasser 79°, man muß also 1 Pfund Wasser von 79° zu 1 Pfund Eis hinzugießen, um dann 2 Pfund Wasser von 0° zu haben; daher kommt es, daß eine Masse Eis od. Schnee bei Erhöhung der Temperatur nicht plötzlich durchaus schmilzt, sondern allmälig, so daß während des S-s die Masse längere Zeit hindurch die Temperatur 0°behält. Beim Gefrieren wird die gleiche Wärmemenge wieder frei, daher gefriert eine Wassermasse bei Erniedrigung der Temperatur nicht plötzlich, sondern allmälig. Endlich finden sich einige Körper, bei denen vor dem S. ein Zustand der Erweichung vorhergeht, welcher ihre Theilchen fähig macht, an einander zu kleben u. zusammengeschweißt zu werden, so beim Wachs, beim Eisen, Platin. 2) Einem Körper durch S. eine gewisse Zubereitung geben, od. ihn aus einem anderen absondern; daher 3) aus den Erzen das Metall durch S. gewinnen (Gewinnung der Erze auf trockenem Wege) od. auch fertige Metalle durch Hitze wieder flüssig machen, um ihnen durch Gießen in Formen eine bestimmte Gestalt zu ertheilen. Das S. der Erze geschieht meist in Schmelzöfen (s.d.), Blei u. Silber wird auch durch das Rösten u. Saigern (s. d) gewonnen. Das Verfahren beim S. der Erze richtet sich nach den daraus zu gewinnenden Metallen u. ist bei jedem einzelnen derselben beschrieben worden. Im Allgemeinen kommt es beim S. der Erze vorzüglich darauf an die leicht- u. strengflüssigen, reichen u. armen Erze unter sich u. mit den entsprechenden Zuschlägen od. Flüssen gehörig zu vermischen (gattiren) u. dann das Feuer gut zu regieren. In Bezug auf die Einrichtung des Schmelzofens unterscheidet man das S. auf leichtem Gestübe (S. über dem Tiegel) von dem S. auf schwerem Gestübe; bei ersterem ist der Herd des Schmelzofens blos aus Kohlengestübe, bei letzterem aus Kohlengestübe u. Lehm gemacht. Beim S. über das halbe Auge ist in der Vorwand des Ofens ein halbrundes Loch befindlich, welches während des S-s verstopft u., wenn der Ofenherd voll geschmolzen ist, abgestochen wird; beim S. über das offene Auge ist in der Vorderwand des Ofens ein großes rundes Loch befindlich, durch welches das geschmolzene Metall in einen Vorherd läuft, wo die Schlacken davon abgehoben werden; beim S. über den Stich wird in das verstopfte Auge der Vorwand nur ein Loch gestochen, u. dann fließt[317] das geschmolzene Metall in eine Spur od. einen Tiegel; beim S. über die Spur ist zwischen der Vorwand des Ofens u. dem Vorherde eine Öffnung, die Spur, befindlich, durch welche Schlacken, Erz u. Flüsse beständig in den Vorherd rinnen, wo die Schlacken abgehoben u. dann auch die Werkscheiben, d.h. die auf der Oberfläche erstarrenden Metallmassen, abgerissen werden. Dies ist die gewöhnlichste Art des S-s in den Kupferschmelzhütten. Das S. auf der Stange od. im Winde findet nur beim Wismuth Statt. Bei einer Halde od. an einem erhabenen Orte werden 2 Stangen so auf Steine gelegt, daß sie eine Gasse gegen den Wind bilden, auf die Stangen wird Reißholz gelegt u. darauf Wismutherz geschüttet. Das Reißholz wird auf der Seite, wo der Wind herkommt, angezündet, u. indem das Holz verbrennt, schmilzt das. Wismuth aus dem Erze. Dunkel schmelzen heißt das Feuer im Ofen u. die ganze Arbeit so regieren, daß keine helle Flamme oben zu dem Ofen herausschlägt. Das S. des Metalls, beim Gießen od. beim Zusammenschmelzen (Legiren) verschiedener Metalle, geschieht entweder in Schmelztiegeln in einem Windofen od. in Flammenöfen, aus denen man mit Löffeln, Kellen od. Pfannen (für große Massen an einem Krahne hängend) ausschöpft od. es durch Abstechen in die Form fließen läßt; so beim Glockenguß. Legirtes Gold u. Silber schmilzt leichter, als reines. Damit das erkaltete Gold nicht körnig werde, wirst man etwas Pottasche in den Schmelztiegel; 4) das mit Thran gewalkte weißgare Leder in Lauge waschen, damit diese den Thran auflöse u. herausziehe; 5) Metallbleche mit Email (s.d. 1) überziehen; 6) die aufgetragenen Farben gut vertreiben; 7) von verschiedenen Salzen, dadurch zerfallen, daß sie in trockner Luft einen Theil ihres Krystallwassers verlieren, z.B. beim Kali-Eisenalaun; 8) s. Schmälzen.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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